Zwischen Digital Natives und Digital Newbies

Vortrag für Eltern im Apian-Gymnasium am 12.11.2019

Auf Einladung des Elternbeirats hielt Herr Thomas Bauer einen Vortrag zum Thema Zwischen Digital Natives und Digital Newbies. Nach einer kurzen Begrüßung durch unseren Schulleiter Herrn Stockmeier stellte sich Herr Bauer im gut besuchten großen Musiksaal kurz vor.

Herr Bauer ist Leiter für Digitales Marketing und Innovationsmanagement in einem Unternehmen. Der zweifache Familienvater beschäftigt sich nebenberuflich mit den Herausforderungen der unterschiedlichen Spiel-, Lern- und Arbeitswelten, die täglich in unseren Schulen, in unseren Büros und besonders in unseren Familien aufeinanderprallen.

Gleich am Anfang seines Vortrags wies Herr Bauer auf das aus seiner Sicht zentrale Problem hin. Viele Eltern verstehen zu wenig von den Möglichkeiten und Risiken der modernen digitalen Medien, sei es aus Mangel an Zeit oder Interesse. Anstatt dies offen zu besprechen und sich gemeinsam mit ihren Kindern einen besseren Einblick in die Welt der Digitalisierung zu verschaffen, lassen sie die Kinder in einem Vakuum zurück. Dieses Vakuum füllen dann andere Akteure, die wie z. B. Facebook ein kommerzielles Interesse an der Heranführung der Kinder an die digitale Welt haben.

Digitalisierung ist der Megatrend schlechthin. Der Begriff überdeckt alle Diskussionen, da jeder „smart“ sein will, ohne jedoch ein klares Verständnis davon zu besitzen, was dies für sich und seine Umgebung bedeutet. Die Geschwindigkeit, mit der neue Produkte und Angebote in den Markt eingeführt werden, nimmt faktisch täglich zu. Echte Revolutionen, wie die Einführung des iPhone 4 vor 12 Jahren, befördern diesen Trend.

Letztendlich kann man sich der Entwicklung einer zunehmenden Digitalisierung nicht erwehren. Das bedeutet, sich auch mit den Risiken und Gefahren zu beschäftigen, die sich daraus ergeben können. Zum Beispiel gibt es zahlreiche Untersuchungen, die einen zu großen und vor allem unbegleiteten Konsum digitaler Medien in Kindesalter mit entsprechenden Lernschwächen und Entwicklungsstörungen in Verbindung bringen. Eine der neuesten Studien (zitiert nach Joachim Müller-Jung, FAZ 2.11.19: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/smartphone-verbot-fuer-kinder-das-risiko-chattet-mit-16463909.html) besagt, dass die Nutzung digitaler Medien bei Kleinkindern eine eingeschränkte Entwicklung des Gehirns zur Folge hat.

Ein zusätzliches Risiko ist mit der Vernetzungsfähigkeit der neuen digitalen devices verbunden. Herr Bauer weist auf die Risiken hin, die durch einen unkontrollierten Umgang mit den Datenverbindungen über WLAN oder Bluetooth entstehen können. Diese reichen von der Erstellung eines Nutzprofils durch einzelnen digitale Dienste bis hin zum verbrecherischen Datenmissbrauch. Derartige Datenabschöpfungen sind technisch ohne weiteres möglich, datenschutzrechtlich jedoch nur in Teilen reglementiert. So verwundert es nicht, dass zahlreiche Firmen am Markt versuchen über Umwege wie Gewinnspielteilnahmen oder Exklusivangebote an persönliche Nutzerdaten zu gelangen. Dies betrifft vor allem Smartphones aber auch Smartwatches oder wearables.

Vortrag: Zwischen Digital Natives und Digital Newbies

Ein weiteres großes Problem sind die sprachgesteuerten, internet- und cloud-basierte Sprachassistenten wie Alexa. Die aktive Aufzeichnung der Nutzeranfragen, die im Übrigen zur Verbesserung der Dienste dienen, beginnt erst nach der Verwendung eines Passworts. Bis dahin befinden sich Alexa und Co. In einer sogenannten Schlummerfunktion. Hier hört das Gerät mit seinen bis zu sieben Mikrofonen jedoch passiv mit, um das entsprechende Passwort zu erkennen. Inwiefern dieses passive Mithören durch die Anbieter oder Dritte für einen weiteren Datenmissbrauch genutzt wird, ist unklar. Es existieren jedoch Milliarden von Aufzeichnungen, auf die z. B. in den USA die Polizei und die Geheimdienste Zugriff haben. Auch bei Spielkonsolen sind derartige Zugriffe rein theoretisch möglich.

Derzeit sind mindestens 3,5 Milliarden Handys weltweit auf dem Markt, wobei die höchste Dichte mit 95 % in Südkorea besteht, in Deutschland ist die Abdeckung bei ca. 75 %. Dabei haben bei uns ca. 65-75 % der Kinder zwischen 10-16 Jahren ein Smartphone. Demgegenüber sollen nach Statistiken nur 3 % der Lehrkräfte täglich Tablets im Unterricht einsetzen. Diese Diskrepanz verdeutlicht den eigentlichen Graben in der Handhabung digitaler devices und Informationsquellen zwischen Schulbetrieb und außerschulischem Alltag. Die Smartphones leben vor allem von den Applikationen, kurz Apps. Jährlich entstehen hierüber rund 72 Milliarden Dollar Umsatz.

Herr Bauer stellte anschließend das Spiel Fortnite vor. Es handelt sich hierbei um ein klassisches „Shooter-Game“, das von Epic Games kostenlos vertrieben wird. Über Zukauf-Optionen und in-game Käufe konnte Epic innerhalb von 6 Monaten über 1 Milliarde Dollar Umsatz erwirtschaften. Der Suchtfaktor bei diesem Spiel ist sehr hoch. Bei der zukaufbaren Spielmodi-Version battle royal geht es darum, in einer Spielrunde als letzter von 100 Spielern übrig zu bleiben, was nur über die virtuelle Eliminierung der anderen Gegner möglich ist. Eine Spielrunde dauert ca. 20 Minuten. Es wird vermutet, dass die Hälfte bis dreiviertel der Spieler in den ersten Runden absichtlich leicht zu besiegende KI sind, um den Bindungsfaktor über frühe Erfolgserlebnisse zu erhöhen, die der Spieler möglichst rasch wiederholen möchte. Zu Spitzenzeiten haben 2019 bis zu 10 Millionen Spieler gleichzeitig auf den Servern gespielt. Das Spiel zählt zu den erfolgreichsten ego shooter Spielen weltweit. Das große Problem besteht darin, dass bereits sieben- und achtjährige Kinder dieses Spiel spielen und mit diesem Spiel hoffnungslos überfordert sind. Der virtuelle „Kill“ ist der einzige Weg zum Erfolg. Gleichzeitig lassen sich über die in-game Käufe (sogenannte V-Bucks, eine virtuelle in-game Währung, die über echte Käufe im Shop freigeschalten werden können) für fashion und style und umfangreicheres updates Spielerlebnis und Spielbindung erhöhen. Mit der Leistung bzw. Wettbewerbsfähigkeit haben diese Käufe und Updates jedoch nichts zu tun. Die Einnahmen für dieses Spiel im Jahr 2018 sollen bei 2,4 Milliarden Dollar gelegen haben, jährlich werden durchschnittlich 85 Dollar pro Spieler für den Kauf von V-Bucks ausgegeben.

Spiele, die sich auf die Nutzung der Basisversion beschränken, werden von den anderen Spielern gerne als Defaults oder Looser geoutet. Das Grundspiel hat eine Altersempfehlung ab 12 Jahren (USK), der Spielemodus battle royal wird Online als update vertrieben, daher greift hier die USK-Wertung nicht. Im Jahr 2019 gab es eine Fortnite Weltmeisterschaft, das Preisgeld für den Gewinner lag bei 3 Millionen Dollar. Man kann sich also gut vorstellen, welche kommerziellen Interessen hinter diesem Spiel stecken. Auf der anderen Seite bedient das Spiel und seine Adaptionsformen tiefe Sehnsüchte, wie das große öffentliche Interesse an Aufstieg, Fall und Läuterung des Fortnite-Stars FaZe Jarvis zeigt. Über e-games werden ebenso Stars geboren, Helden gefeiert und Verlierer abserviert, wie bedauerlicherweise in vielen anderen Lebensbereichen, seien es Politik Schule oder Sport.

Als exemplarische App stellte Herr Bauer „TikTok“ vor. Hier wird 15 Sekunden Musik eingestellt, während dieser Sequenz können Kinder und Jugendliche dazu tanzen und sich dabei filmen. Diese App ist insbesondere bei unter Dreizehnjährigen sehr beliebt, obwohl die App eigentlich erst ab 13 Jahren zugelassen ist. Hinter dieser App steht ein chinesisches Unternehmen; weltweit gibt es 500 Millionen Nutzer. Das Problem ist, dass die Grundeinstellung das notwendige Nutzerkonto als öffentlich vordefiniert. Man muss also selbst die Einstellung umändern, damit nur die eigenen Kontakte bzw. Freunde die Videos einsehen können. Eine besondere Gefahr besteht daher im Missbrauch der Videos und in deren unkontrollierten Weiterleitung. Nicht umsonst wird auch in Deutschland die App unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs durch Pädophile beobachtet.

Grundsätzlich muss man sich daher Gedanken dazu machen, dass durch die Firmenverquickungen und die miteinander verknüpften Apps und insbesondere die Vernetzungen über Jahre hinweg Daten über einen gesammelt werden können, die dazu führen, dass man z.B. gezielt Werbung erhält, dass des Weiteren über die Datensammlung das Nutzerverhalten genauestens analysiert wird. Daten bzw. Rechte Dritter können abgegriffen werden. Man sollte sich daher genau überlegen, welche Apps man sich auf sein Smartphone lädt, und die Datenschutzerklärung genau durchlesen. Insoweit ist man als Verbraucher (egal ob Elternteil oder Kinder) jedoch nicht allein. Es gibt zahlreiche Hilfen im Internet, die einen hierzu Informationen bereitstellen. Ein Tipp ist zum Beispiel, mit den Kindern einen Mediennutzungsvertrag zu vereinbaren, in dem Dauer und Art der Mediennutzung (TV, Computer, Smartphone, Spielkonsole) vereinbart werden. Hierzu gibt es bereits vorbereitete Formulare. Wichtig ist es auch, die richtige Balance für einen selbst und für die Kinder zwischen der digitalen und der analogen Welt zu finden. Letztendlich wird man sich der Digitalisierung nicht verschließen können, man muss jedoch lernen, hiermit vernünftig umzugehen.

Herr Bauer betont, dass er kein offizieller Berater ist. Er möchte dazu anregen, einen Weg zu finden, zwischen unreflektierter Euphorie auf der einen und panischer Ablehnung auf der anderen Seite die richtige Balance im Umgang mit der Digitalisierung anzustreben. Er stellt einer angeblichen Alternativlosigkeit ein ‚sowohl als auch‘-Denken gegenüber. Er fordert uns auf, bewusst zu entscheiden, wo wir das Gute nutzen und wie wir die Gefahren für uns und unsere Kinder eindämmen können.

Folgende Seiten geben hierzu Hilfestellung:
o www.elternguide.online
o www.klicksafe.de
o www.internet-abc.de
o www.checked4you.de
o www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/mediaculture-online
o www.br.de/sogehtmedien
o www.jugendschutz.net
o www.service-bw.de
o www.bsi-fuer-buerger.de
o www.spielbar.de
o www.schau-hin.info
o www.familienland.bayern.de/themen/kinder-medien
o www.only4gamers.de
o www.businessofapps.com

Herr Bauer nahm sich nach dem Vortrag noch die Zeit, Fragen der Eltern zu beantworten.
Wir bedanken uns im Namen der Eltern und des Elternbeirats bei Herrn Thomas Bauer für den interessanten, kurzweiligen und aufschlussreichen Vortrag. Wir freuen uns auch, dass die Eltern der Fronhofer Realschule und der Gebrüder Asam Mittelschule unserer Einladung gefolgt sind und an diesem Elternabend teilgenommen haben.
Besonders bedanken möchten wir uns auch bei unseren Hausmeistern Herrn Syma und Herrn Schrott für das Vorbereiten und für das Auf- und Abschließen des Saales.

Dagmar Schreiber-Hiltl
EB-Vorsitzende

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Datenschutzinformationen