Ein Podcast oder Instagram-Profil zum Thema Holocaust?

Die Erfolgsgeschichte des deutsch-israelischen Projekts "Ruth Maier's diary - Reading together"

Ein Beitrag im DONAUKURIER aus der vergangenen Woche, der im Original unter dem folgenden Link verfügbar ist.

Ein länderübergreifendes Geschichts-Projekt mit Jugendlichen in Zeiten von Corona – wie soll das möglich sein? 

Unter dem Motto „Geht nicht – gibt’s nicht“ begannen im Mai 2020 am Apian-Gymnasium die ersten Planungen für ein Projekt, das in Kooperation mit dem Büro für Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie, Bildung und Jugendaustausch in Israel des Freistaats Bayern und Yad Vashem, der internationalen Holocaust Gedenkstätte mit Sitz in Jerusalem, mit je einer deutschen und einer israelischen Klasse durchgeführt werden sollte. 

Ziel war es, im Austausch zwischen jungen Israelis und Deutschen einen Teil zur Erinnerungskultur zum Thema Holocaust beizutragen. Nachdem der damalige stellvertretende Schulleiter Dr. Matthias Schickel den Kontakt zu Yad Vashem hergestellt hatte, wurden in monatlichen Videokonferenzen gemeinsam mit Eva Gotteswinter als Lehrerin für Englisch, Geschichte und Sozialkunde am Apian und den israelischen Ansprechpartnern von Yad Vashem Esther Rachow, Orit Margaliot und Noam Gitin die ersten Schritte in die Wege geleitet. 

Im Herbst 2020 wurde es dann ernst: Man hatte sich darauf geeinigt, das Tagebuch „Das Leben könnte gut sein“ von Ruth Maier zu lesen. Es handelt sich hierbei um eine Wiener Jüdin, die zunächst nach Norwegen auswanderte, 1942 jedoch im Konzentrationslager umgebracht wurde. Sowohl die 10d des Apian-Gymnasiums, die von Mathias Schickel in Geschichte und von Eva Gotteswinter in Englisch unterrichtet wurden, als auch eine zehnte Klasse der ORT Motzkin Highschool in Kirjat Motzkin mit ihrer Lehrerin Shosh Nahmias sollten nun bis Januar das Tagebuch in Auszügen auf Englisch lesen und im Unterricht anhand von vorab erarbeiteten Leitfragen besprechen. Kurz vor den Weihnachtsferien 2020 bis kurz vor Ostern 2021 wurden dann bekanntlich in Bayern die Schulen geschlossen, sodass die eigentliche Projektarbeit vollständig im Distanzunterricht bzw. im Rahmen von Videokonferenzen stattfand.

deutsch-israelischen Projekts "Ruth Maier's diary - Reading together"

Zusätzlich zum regulären Englisch-Unterricht trafen sich israelische sowie deutsche Schüler:innen sowie Lehrerinnen zunächst alle zwei Wochen, später wöchentlich zu Zoom-Sitzungen, in denen teilweise Workshops von Yad Vashem zum Thema Erinnerungskultur und Holocaust durchgeführt wurden, teilweise an den einzelnen Projekten gearbeitet wurde. Die Schüler:innen wurden in Gruppen von ungefähr zehn Teilnehmer:innen eingeteilt, jeweils zur Hälfte deutsche bzw. israelische Schüler:innen. Für das eigentliche Projekt war nun Kreativität gefragt: Aufgabe war es, sich mit einer der folgenden Fragen im Rahmen der Lektüre des Tagebuchs zu beschäftigen: Was sind Gemeinsamkeiten/Unterschiede zwischen mir/uns und Ruth Maier? Welche Rolle spielt Identität und Familie in ihrem und unserem Leben? Warum ist Ruths Geschichte in unserer heutigen Gesellschaft relevant? Was hat mich Ruths Lebensgeschichte über die die Geschichte gelehrt? Bei der Ausarbeitung waren den Gruppen keine Grenzen gesetzt. Die Schüler:innen zeigten ein enormes Engagement und nahmen während des gesamten Distanzunterrichtes von Januar bis März am Ende wöchentlich an bis zu zweistündigen Videokonferenzen teil – freiwillig und zusätzlich zu ihren sonstigen Arbeitsaufträgen und Videokonferenzen. Allein diese Tatsache zeigt, wie motiviert und begeistert alle Beteiligten waren. Nachdem der Austausch zwischen Israelis und Deutschen zunächst etwas zaghaft war, wurden bald WhatsApp-Gruppen gegründet, Dokumente geteilt oder andere digitale Wege der Kommunikation gefunden und es fand ein reger Austausch zwischen allen Beteiligten statt.

Am 9. März 2021 war es dann soweit: Die Abschlusspräsentation der Projekte der sechs Gruppen fand als Videokonferenz statt, zu der unter anderem auch Herr Stockmeier als Schulleiter eingeladen wurde. Die Bandbreite der Ergebnisse reichte von informativen und interaktiven Powerpoint-Präsentationen über ein Instagram-Profil zu Ruths Familie (@ruth_maiers_family) bis hin zu einem 30-minütigen Podcast auf Spotify, der sich damit beschäftigt, wie Ruth den Herausforderungen in ihrem Leben begegnete und wie Jugendliche heute mit Herausforderungen wie der Corona-Krise umgehen. Die Ergebnisse werden auch auf der Homepage von Yad Vashem zu sehen sein.

Eigentlich sollte das Projekt damit äußerst erfolgreich beendet sein, doch nachdem alle Beteiligten derart begeistert waren, bat die israelische Lehrerin darum, dass einige Gruppen ihre Ergebnisse doch auf einer digitalen Lehrerfortbildung für die Region Haifa vorstellen sollten. So schalteten sich trotz Wechselunterricht am 17.3. um 12 Uhr eine große Zahl an Schüler:innen der 10d sowie ihre israelischen Partner:innen teils aus der Schule, teils von zuhause erneut freiwillig in einer Videokonferenz zusammen und stellten ihre Projekte noch einmal auf Englisch einem Publikum an israelischen Englisch-Lehrkräften und Schulleitern vor. Auch ein Redakteur des Donaukuriers verfolgte das Geschehen vor Ort am Apian. Nach anfänglicher Nervosität und den mittlerweile allseits bekannten Tücken von Videokonferenzen präsentierten die Schüler:innen der 10d zusammen mit ihren israelischen Partner:innen ihre Ergebnisse äußerst souverän und hatten sich das anschließende Lob für ihre Arbeit redlich verdient. 

Ein solches Projekt zeigt, dass trotz schwieriger Umstände und organisatorischer Hürden im Zeitalter der Digitalisierung auch das Knüpfen von neuen Kontakten und der gemeinsame Austausch der Jugend über Grenzen und Kulturen hinweg durchaus möglich und vor allem enorm gewinnbringend ist. Durch ihre Kooperation haben die israelischen und deutschen Jugendlichen einen Zugang zueinander gefunden, Gemeinsamkeiten entdeckt und an dem überaus wichtigen Kapitel der Erinnerung an den Holocaust (digital) weitergeschrieben.

Eva Gotteswinter

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