„Crash-Kurs für interkulturelles Lernen“

„Afghanistan – Was geht das uns an?“, so überschrieb Frau Erös ihren Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern der 9. Jahrgangsstufe im Musiksaal des Apian-Gymnasiums, und sie wollte damit die jungen Zuhörer aus der Reserve locken. Denn in einer immer mehr globalisierten Welt, die nicht zuletzt über die Medien immer mehr zusammen wächst, ist es notwendig, sich über andere Länder und Kulturen zu informieren, Bescheid zu wissen, auch politisch, um mitreden und mitgestalten zu können. Und so lautet ein erster Appell, man müsse das, was in den Medien über Afghanistan zu lesen und zu sehen ist, kritisch hinterfragen, und das gelinge nur, wenn man auch Bescheid wisse.

"Crash-Kurs für interkulturelles Lernen" – Frau Erös über die „Kinderhilfe Afghanistan

Und so hören die ca. 150 ZuhörerInnen Grundlegendes über Geographie und die Geschichte des Landes, über wirtschaftliche, religiöse und kulturelle Zusammenhänge. Diese Kenntnis sei die Voraussetzung, um letztendlich wirksam helfen zu können. Genau dieser Zusammenhang ist auch auf praktisch alle Entwicklungshilfe-Projekte in unterschiedlichen Erdteilen anwendbar: Wenn ich möchte, dass meine Spende wirklich ankommt, muss ich überprüfen, wie zuverlässig und glaubwürdig die Organisation ist, der ich mein Geld anvertraue.

"Crash-Kurs für interkulturelles Lernen" – Frau Erös über die „Kinderhilfe Afghanistan
Die Familie Erös, die in der Nähe von Regensburg wohnt, hat seit dem Jahr 2001 in Afghanistan 28 Grund- und Oberschulen gebaut, in denen pro Schuljahr ca. 60000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Das gesamte Geld wird über private Spenden in Deutschland aufgebracht, auch über Vorträge, und das Geld wird direkt nach Afghanistan zu den Menschen gebracht. Dort werden also Lehrerinnen und Lehrer, Bauarbeiter und medizinische Helfer bezahlt, die für die „Kinderhilfe“ arbeiten. Damit wird die immer wieder beklagte Korruption, die viel Geld in unterentwickelten Ländern in „dunkle Kanäle“ fließen lässt, wirksam umgangen. Bisher gab es auch keinerlei Zerstörungen etc. an den Schulen der „Kinderhilfe Afghanistan“, und das hat einen einfachen Grund: Im Dialog mit den Ältesten eines Ortes und den Bewohnern wird besprochen, wo die Schule entstehen soll, und auch in der Bauphase sind die Bewohner als Bauarbeiter eingebunden und haben so bezahlte Arbeit. Alle identifizieren sich also mit den Schulen, in denen auf dem Land und im Grenzgebiet zu Pakistan insbesondere für Mädchen Bildungschancen entstehen. Ein besonders ambitioniertes Projekt wird gerade verwirklicht, denn in der ersten Universität des Landes für Mädchen können diese z.B. Journalistik und auch die deutsche Sprache studieren.

Auch im handwerklichen Bereich fördert die „Kinderhilfe“ Mädchen und Jungen, indem erstere eine Ausbildung als Näherin und letztere als Solartechniker absolvieren können. Damit werden junge Menschen ausgebildet und können sich selber eine berufliche Zukunft aufbauen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Bildung der Schlüssel liegt für die wirkungsvolle Hilfe, auch gegen einen fanatischen Fundamentalismus und gegen Gewalt. Und so steht an jeder Friedensschule der „Kinderhilfe“ der Satz Mohammeds: „The ink of the scholar is more holy than the blood of the martyr“ („Die Tinte eines Schülers ist heiliger als das Blut eines Märtyrers“).
"Crash-Kurs für interkulturelles Lernen" – Frau Erös über die „Kinderhilfe Afghanistan

Bevor Frau Erös aber die Arbeit der „Kinderhilfe Afghanistan“ beschreibt, gibt sie, wie schon gesagt, äußerst genaue Information über Geographie, Geschichte, Religion und Kultur dieses Landes. Es ist geographisch ein Land der Gegensätze, denn in den Gebirgsregionen herrschen im Winter Temperaturen bis -50 ° Celsius, während in den Tälern im Sommer bis zu +50° Celsius gemessen werden. Die Menschen sind von Natur aus äußerst widerstandsfähig, aber auch aufgeschlossen, besonders die Gastfreundschaft ist herzlich: Wer als Gast aufgenommen wird, ist beschützt gegen alle Feinde, ihm wird das Beste gegeben, was die Familie anzubieten hat. Dabei leben die Afghanen sehr bescheiden, besonders auf den Dörfern, und Frau Erös stellt die Gegensätze zu unserem westlichen Lebensstil sehr deutlich heraus: Während wir bei Stromausfall unsere Abhängigkeit von Strom und Wasser zu spüren bekommen, müssen sich die Afghanen mit der Natur behelfen: Sie entfachen Feuer aus getrockneten Kuhfladen und holen Wasser aus weit entfernten Flüssen (besonders die Mädchen müssen diese Arbeit tun). Wichtig ist auch das Leben in Großfamilien, denn in den „Wohnburgen“ leben mehrere Generationen zusammen und bewältigen den Alltag auch gemeinsam. Von großer Bedeutung ist im Leben der Afghanen auch die Religion: Es ist eine „unverdorbener Islam“, wie Frau Erös betont, der tolerant und ohne Gewalt ist. Wenig Verständnis haben die Afghanen für einen westlich geprägten oder auch marxistisch fundierten Atheismus, der ihnen angesichts der Rätsel des Lebens weltfremd erscheint.

Das, was im Westen unter dem Stichwort „Taliban“ bekannt geworden ist, also eine fanatische Form der Islamismus, sei eine Folge des sowjetischen Militärangriffs (1979-1989), so Frau Erös.

Einen breiten Raum nimmt die Darstellung der Folgen von Krieg im Vortrag ein: Dieses Land Afghanistan leidet seit 30 Jahren unter Krieg und den entsprechenden Folgen. Besonders die Wirkung der sogenannten „Schmetterlingsminen“, die wie Spielzeug aussehen und vor allem bei Kindern verheerende Folgen zeigen (Verstümmelungen, Amputationen, Verbrennungen), sind noch lange nach Beendigung eines Krieges im Land verbreitet und zeigen entsprechende Folgen.

„Afghanistan – was geht das uns an?“: Auf diese eingangs gestellte Frage gibt Frau Erös am Ende des Vortrags nochmals Antwort, und auch diese ist teilweise auf andere unterentwickelte Länder übertragbar. Wollen wir im Westen das Problem der Armuts- und Kriegsflüchtlinge wirklich lösen, dann müssen wir auch mithelfen, dass die Menschen in ihren Heimatländern eine Zukunftsperspektive haben. Deutlich wird am Beispiel von Afghanistan auch, dass militärische „Lösungen“ immer teurer sind als wirklich humane Hilfe zur Selbsthilfe, zumal wenn man die Folgekosten von Krieg mit einbezieht, materiell und im Bezug auf das Leid der Menschen, besonders der Kinder und Zivilisten. Anstatt auf superteure (militärische) Scheinlösungen zu vertrauen, ist es allemal zielführender, Schulen zu bauen und auf den Grundsatz zu vertrauen: „Bildung statt Fundamentalismus“ (vgl. für weiterführende Infos auch www.kinderhilfe-afghanistan.de ).

Wir am Apian-Gymnasium sind stolz darauf, durch unsere nachhaltige Unterstützung der Familie Erös und der „Kinderhilfe Afghanistan“ dabei einen Beitrag leisten zu können.

Katja Gluth, 9a, Andreas Betz

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