Marieluise Fleißers "Eine Zierde für den Verein" - Ein Projekt in der Klasse 9 c

Was muss man tun, wenn man sich als Deutschlehrerin im Unterricht mit der bekannten Schriftstellerin Marieluise Fleißer und ihrem Roman „Eine Zierde für den Verein“ beschäftigen will? Ganz einfach: Man sucht sich eine 9. Klasse des Apian-Gymnasiums, die aus 20 interessierten und motivierten Schülern besteht. Doch wie kann man, bei allem Interesse, Schüler einer Mittelstufe für eine Autorin erwärmen, deren Sprache selbst für literaturerprobte Erwachsene gewöhnungsbedürftig erscheint?

Exponat der Ausstellung

Man muss an den Ort des Geschehens gehen, damit die Schüler sich ein Bild machen, die Atmosphäre spüren und sich vorstellen können: Hier hat sie gelebt! Hier hat sie geschrieben!
Gesagt, getan! In einer Doppelstunde fahre ich gemeinsam mit meiner Klasse 9 c in die Innenstadt, um das Geburtshaus der Fleißer in der Kupferstraße 18 zu besichtigen. Das alte Haus ist liebevoll zu einem Museum hergerichtet: Die ehemalige Schmiede des Vaters von Fleißer beinhaltet noch den alten Brennofen und verschiedene Werkstücke und im Moment eine temporäre Ausstellung zu Fleißers Werken.

Im zweiten kleinen Raum, dem ehemaligen Verkaufsraum der Schmiede, sind Informationstafeln zum Leben der Fleißer, Gegenstände und Briefe ausgestellt.
Projekt Klasse 9 c: Marieluise Fleißers „Eine Zierde für den Verein“

Ich statte die Schüler mit einem Fragebogen zu Fleißers Biografie aus und schicke sie los, diese Stätte zu erkunden. Die kleine Gruppe taucht ein in das Leben der einst geächteten, aber in den späten 60er Jahren neu entdeckten und gefeierten Ingolstädterin und findet gar manche interessante Details heraus: „Die Nazis haben ihr ja das Schreiben verboten!“ „Die Arme – ganz Ingolstadt schien sich gegen sie verschworen zu haben, als ihr Stück „Pioniere in Ingolstadt“ in Berlin aufgeführt wurde.“ „Hat sie jetzt den Bepp Haindl nur geheiratet, damit sie finanziell abgesichert war?“ „Sicher nicht, denn sie kam ja durch die Heirat und die Arbeit in seinem Tabakwarengeschäft gar nicht mehr zum Schreiben!“. Nach einer Stunde lassen wir das Gelesene bei einem gemeinsamen Cappuccino sacken. Das erste Interesse der Schüler an Fleißer ist also geweckt!

Eine Woche später finden wir uns wieder in der Innenstadt zusammen: Die Klasse wird in drei Gruppen eingeteilt, die nun den Auftrag bekommen, verschiedene Orte, die in Fleißers Roman „Eine Zierde für den Verein“ genau beschrieben werden, aufzusuchen und zu fotografieren. Die Schüler sollen dadurch erfahren, dass die Fleißer genau dort lief, wo wir heute noch laufen: Durch die Fußgängerzone nämlich, am ehemaligen Zigarrenladen von Bepp Haindl, dem jetzigen Segafredo, vorbei, weiter zur alten Post, zum Kreuztor hinaus, hinunter zum Künettegraben und über den Pioniersteg…

Projekt Klasse 9 c: Marieluise Fleißers „Eine Zierde für den Verein“

Eine Schriftstellerin also, die ihre Heimatstadt in ihren Werken verewigt hat und diese so genau beschreibt, ja sogar beim Namen nennt, sodass kein Zweifel besteht, welchen Ort sie gerade meint. Um den Schülern mehr Ansporn zu geben, findet das Ganze als Rallye statt: Jede Gruppe muss zwei bis vier der im Roman erwähnten Orte aufsuchen und die Gruppe, die zuerst die Beweisfotos zurückbringt, gewinnt eine Preis. Die Lehrerin fungiert als Telefonjoker, sollten die Hinweise im Roman doch zu kryptisch sein.

Nach einer Stunde sind alle wieder zurück und die erste Gruppe wird mit Lebkuchen belohnt. Eine Gruppe hat durch Zufall sogar zwei Zeitzeuginnen kennen gelernt… Die entstandenen Fotos sehen durch den Nebel, der an diesem Tag in Ingolstadt herrscht, wunderbar passend aus: Man fühlt sich in die Zeit des Romans- die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts - versetzt.

Siegergruppe Rallye

Zurück im Unterricht wird das Erlebte und Gesehene aufgearbeitet: Wir beschäftigen uns mit den Hauptfiguren des Romans, Frieda, einer selbstständigen Frau, die sich ihren Lebensunterhalt als Mehlvertreterin verdient, und dem Sportler und Muttersöhnchen Gustl, der im Laden seiner Eltern Zigarren verkauft. Wir analysieren die Sprache des Romans, die als einzigartig gilt - eine Art Kunstsprache aus Hochdeutsch und bayerischem Dialekt.

Des Weiteren informieren wir uns über die Rolle der Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Veränderung des Frauenbildes zu einer „neuen Frau“ und die daraus resultierenden Probleme. Weitere Themen des Romans sind die aussichtslose Beziehung zwischen den Romanfiguren Frieda und Gustl, die doch sehr autobiografisch an Fleißer selbst und ihren Mann Bepp Haindl angelehnt sind, die prekäre wirtschaftliche Situation in Ingolstadt und die Funktion des Sports zur damaligen Zeit, beides Tendenzen, die man im Nachhinein als erstes Anzeichen des aufkommenden Nationalsozialismus deuten kann. Erste Schülermeldungen bestätigen: „Der Roman ist ja doch ganz cool!“.

Besuch der Theaterpädagogin Frau Lehmann

Der Höhepunkt und Abschluss des Fleißer-Projekts stellt der Besuch im Theater, ein anschließendes Gespräch mit den Schauspielern und der Besuch der Theaterpädagogin Frau Lehmann in der Schule dar.

Raphael Krauthann und Johannes Eichinger, beide 9 c, mit einem Rückblick…

Eine Zierde für das Apian

Am Donnerstag, dem 15.12.2011, besuchten drei neunte und eine zehnte Klasse des Apian-Gymnasiums das Theaterstück „Eine Zierde für den Verein“ von Marieluise Fleißer. Frau Förtschbeck, Frau Held, Frau Fischer und Herr Hofbauer begleiteten die Schüler ins „Kleine Haus“ am Brückenkopf, wo die Aufführung stattfand.

In dem Roman von Ingolstadts berühmtester Autorin geht es um Gustl Gillich, einen Tabakwarenhändler aus Ingolstadt und Frieda Geier, einer emanzipierten Frau in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die „neue Frau“, die schlechte wirtschaftliche Lage am Beispiel der Stadt Ingolstadt und eine aussichtslose Beziehung zwischen dem Muttersöhnchen Gustl und der unabhängigen Frieda sind Themen des Romans. Für die Bühnenfassung wurde die Reihenfolge der Ereignisse etwas verändert, die Geschichte war jedoch trotzdem –oder gerade deswegen - logisch und nachvollziehbar. Sehr gut gelungen war die dramatische Besonderheit, dass sieben Schauspieler beinahe 20 Figuren gespielt haben. Besonders das Bühnenbild sollte jedoch erwähnt werden: Ein Kleiderhaufen aus Kleidern der 30er Jahre stellte die Mauern der Stadt Ingolstadt dar. Immer wenn Frieda und Gustl sich näher kamen, musste dies außerhalb der Mauern der damaligen Kleinstadt, also außerhalb des Kleidungshaufens, geschehen. Bei einigen Szenen wälzten sich die Hauptdarsteller aus Verzweiflung gar in den Kleiderbergen und verschwanden fast vollständig darunter. Viele witzige Einfälle machten das Theater, das insgesamt zwei Stunden dauerte, zu einem eindrucksvollen Erlebnis.

Im Anschluss hatten die Jugendlichen noch die seltene Chance, mit den Schauspielern zu sprechen und ihnen Fragen zu stellen. Diese wurde auch rege genutzt und so wurde z.B. gefragt, was sie an ihrem Beruf besonders mögen. Eine Antwort war zum Beispiel: „Es ist das beste Mittel Geschichten zu erzählen“.

Raphael Krauthann

Am vergangenen Freitag erlebten wir, die Klasse 9c, einen besonderen Unterricht: Frau Förtschbeck hatte Frau Lehmann, die Theaterpädagogin Ingolstadts, zu uns eingeladen, um mit uns einige Szenen des Romans szenisch umzusetzen.

Frau Lehmann bedankte sich zuerst bei der Klasse für ihr außerordentlich gutes Benehmen während der Vorstellung am Tag zuvor im kleinen Haus des Theaters. Anschließend machte sie die Klasse mit einigen Auflockerungsübungen „warm“: Zuerst übten wir den „Raumlauf“, eine Übung, bei der die Klasse im Klassenzimmer umhergehen muss, ohne sich zu berühren, wobei der Raum immer kleiner wird und somit das Nichtberühren immer schwieriger. Diese und andere Übungen vermitteln den Schauspielern das Bewusstsein für den Raum auf der Bühne und sie gehören zu den Grundlagen einer Theaterausbildung. Anschließend übte Frau Lehmann mit uns Standbilder. Dazu muss ein Schüler eine Stellung einnehmen und dann „einfrieren“. Ein weiterer Schüler kann das Standbild ergänzen oder darauf „antworten“. Sobald der zweite Schüler „eingefroren“ ist, darf der erste Schüler sein Standbild verlassen und ein weiterer Schüler darf nun auf das zweite Standbild reagieren. Es entstehen so immer neue Bilder.

Frau Lehmann erklärte uns, dass Standbilder eine Form von Improvisation seien, die helfen sollen, wenn es Probleme mit dem Textlernen gibt. Auch sagte sie, dass die Standbilder mehr erzählen als Worte, da sich die Zuschauer ihre eigene Meinung bilden können. Daraufhin wurden Standbilder zu den Themen wie „In der Schule“ oder „Am Strand“ vorgeführt. Hierbei erläuterte Frau Lehmann sowohl den Ablauf, als auch deren Aufbau und die Schüler machten begeistert mit. Schließlich durften wir unsere vorbereiteten Szenen aus dem Roman „Eine Zierde für den Verein“ vorführen. Frau Lehmann wählte zwei Szenen aus, die sie mit uns zusammen verbesserte. Die „Schauspieler“ mussten ihre Szene mehrmals vorspielen und bekamen Tipps, wie man Figuren besser darstellt oder Dinge auf der Bühne zum Ausdruck bringt. Die verschiedenen Gruppen machten ihre Arbeit sehr gut und hatten sichtlich Freude am Ausprobieren und dem Sich-in-Szene-setzen.
Die Zeit mit Frau Lehmann war sehr interessant, lustig und lehrreich. Sie konnte der Klasse das Schauspielern und das Theater mit Sicherheit näherbringen und wer weiß, vielleicht ist der eine oder andere seinem Berufswunsch schon etwas näher gekommen…?!

Johannes Eichinger

Mein Fazit: Wenn die Schule einem die Freiheit gibt, mit der Klasse Ausflüge zu machen, wenn die INVG es ermöglicht, als Klasse umsonst in die Stadt zu fahren, und man beim Theater auf Wunsch eine Schülervorstellung bekommt, wenn die Theaterpädagogin eigens an die Schule kommt und wenn dann noch die Klasse aus 20 netten Schülern besteht, die offen sind für Neues und auf die man sich verlassen kann, dann ist ein derartiges Projekt möglich!

Anne Förtschbeck, StRefin

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