Schülerakademie erkundet historische Brücken zwischen Bayern und China
Die Beziehungen Ingolstadts zu China begannen nicht erst im 20. oder gar im 21. Jahrhundert. Dank der Bayerischen Landesuniversität, die von 1472 – 1800 ihren Sitz in Ingolstadt hatte, hatten hier die Jesuiten, die seit ihrer Gründung durch Ignatius von Loyola eine geistige Elite bildeten, einen wichtigen Standort. Von Ingolstadt aus gingen zahlreiche Missionare nach China und wirkten dort als hohe Beamte, Mathematiker und Astronomen am chinesischen Kaiserhof.
Mit der Jesuitenmission, an der Gelehrte aus Ingolstadt maßgeblich beteiligt waren, beschäftigte sich die Schülerakademie „China und Bayern. Verbindende Aspekte zu Wirtschaft, Kultur und Kunst“ am 18. November in Stadtmuseum Ingolstadt. Dort befinden sich originale Zeugnisse, Gemälde, Geräte und Karten des ehemaligen Jesuitenkollegs.
Zu dem Thema „Historische Brücken zwischen Bayern und China vom 17. Jahrhundert bis heute“ begrüßte der Ingolstädter Historiker Kurt Scheuerer die Schülerinnen und Schüler des Apian-Gymnasiums und des Reuchlin-Gymnasiums und führte sie in den Barocksaal, wo Dr. Werner Karl, ehemaliger Studiendirektor des Apian-Gymnasiums, den einführenden Vortrag „Ignatius von Loyola und sein Orden“ hielt.
Dr. Karl entwarf ein großartiges Gemälde, beginnend bei der Arbeitsstätte des heiligen Ignatius in Rom, neben der Jesuitenkirche Il Gesù, wo der Ordensgründer auch begraben ist. Von dort führte der Referent die Zuhörer auf einer Zeitreise in das Lebenswerk des Heiligen ein und zeigte die Missionstätigkeit der Jesuiten bis ins ferne China. Die neue Methode der Jesuiten, in Anpassung an die Kultur und die Sitten und durch hervorragende wissenschaftliche Tätigkeiten mit der christlichen Botschaft bekannt zu machen, hob Dr. Karl als besonderes Verdienst hervor. So erwähnte er den bedeutenden Kölner Jesuitenpater Adam Schall von Bell, der dem Kaiser die Sonnenfinsternis vom 2. Juni 1629 präzise vorhersagte.
Als Beispiele für Ingolstädter Jesuiten nannte Dr. Karl den Ingolstädter Professor für Mathematik und orientalische Sprachen Ignaz Kögler aus Landsberg am Lech (1680 – 1746), der 1716 nach China kam und als Leiter der Sternwarte am Kaiserhof in Peking Jahrzehnte lang wirkte. Ein hervorragender Mathematiker war auch der aus Siegenburg stammende Anton Gogeisl. Als Astronom übernahm er das hohe Amt eines Mandarin in Peking, wo er über dreißig Jahre lang bis zu seinem Tod 1771 blieb.
Zur naturwissenschaftlichen Bildung der Jesuiten sagte Dr. Karl, dass bis heute der Leiter der Vatikanischen Sternwarte mit Forschungszentrum in Arizona/USA, ein argentinischer Jesuit ist.
Dr. Karls spannender Vortrag rief Schülerfragen hervor: Weshalb entschieden sich die chinesischen Kaiser ausgerechnet für bayerische Jesuiten? Worin lag ihr besondere wissenschaftliche Qualität? Wie konnten sie sich verständigen? Gab es die Bibel auch in Chinesisch? Nahmen die Chinesen die christliche Botschaft an bzw. wie verhielt sich der christliche Glaube zum Konfuzianismus, der traditionellen chinesischen Philosophie?
Diese Fragen beantwortete der Historiker Kurt Scheuerer mit: Die Patres lernten die chinesische Sprache und Schrift, studierten die alten Überlieferungen, lernten die Sitten, kleideten sich in Landestracht, arbeiteten in der Verwaltung oder als Lehrer am Kaiserhof. Ein wichtiges Zeugnis dafür ist das Originalporträt des Matteo Ricci, dem ersten China-Missionar. Ricci sitzt in der Tracht eines Hohen chinesischen Beamten vor einen Pagode; ein Christuszeichen schmückt dezent seine Brust.
http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/personen/sj-ricci.htm
Weitere Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts – sie hingen im Kapitelsaal der Landesuniversität- stellen Ingolstädter Gelehrte dar, wie zum Beispiel den Professor Christoph Scheiner (gest. 1650). Sie alle sind Zeugen für eine Blüte der Mathematik, der Landvermessung und Kartographie sowie für technische Erfindungen, die im fernen China von den höchsten Herrschern angenommen wurde. Das enorme Wissen und das präzise Denken und Arbeiten der bayerischen Gelehrten führte dazu, dass diese selbst bei der Oberschicht und beim chinesischen Kaiser größtes Ansehen hatten.
Herr Scheuerer berichtete, dass andererseits die chinesische Kultur und chinesische Güter im Westen beliebt waren. Auf Handelswegen brachten Händler und Missionare vor allem Porzellan, Seide und Papier nach Bayern.
http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/arch/ker-chin.htm
Anhand der Exponate erläuterte Herr Scheuerer, wie die Anfertigung von Tongefäßen über Jahrhunderte keramisch immer mehr verfeinert wurde, bis hin zum feinsten chinesischen Porzellan.
http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/arch/ker-sela.htm
Vor allem europäische Adelige und Gelehrte sammelten feine Gefäße, Gemälde und Kupferstiche mit fernöstlichen Motiven sowie Raritäten. Die Chinamode hielt in den Schlössern des europäischen Adels und in Häusern des gehobenen Bürgertums Einzug. Berühmt wurde die chinesische Sammlung des Jesuitenpaters Orban, die 1724 in Ingolstadt ein eigenes Museum, den heute noch erhaltenen Orbansaal, erhielt.
http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/scheuerer/museum/orban-02.htm
M. Kürzinger, OStRin