Mafia-Expertin zu Besuch am Apian-Gymnasium
„Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“ Dieses Zitat stammt aus einem der erfolgreichsten Romane der Trivialliteratur: „Der Pate“. Im Jahr 1969 veröffentlichte der italoamerikanische Schriftsteller Mario Puzo seine fiktive Mafia-Geschichte, deren Bekanntheitsgrad durch die gleichnamige Verfilmung 1972 erheblich gesteigert wurde. Puzos Werk ist gespickt mit Intrigen, blutigen Verbrechen und anderweitig illegalen Machenschaften – eben dem perfekten, stereotypisierten Bild der italienischen Mafia. Dass dabei die ganz reale Bedrohung der Cosa Nostra, welche versucht, Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen und auszubauen, eher in den Schatten gerät, ist nicht sonderlich verwunderlich.
Jemand der sich schon seit Jahrzenten sehr genau mit dieser Materie auseinandersetzt, ist die deutsche, derzeitig in Venedig lebende Journalistin und Schriftstellerin Petra Reski. 1989 schrieb Reski zum ersten Mal über die Mafia und veröffentlicht seitdem regelmäßig Romane und Sachbücher, in denen sie ihre Recherchen und Erfahrungen darlegt.
Am Montag, den 12. März 2018, bot sich für die Schüler der 11. Jahrgangsstufe die Möglichkeit, Petra Reski im Rahmen ihres Besuchs am Apian-Gymnasium zuzuhören. Das Event begann mit einer Lesung aus dem ersten Werk der Autorin. Der derzeit vergriffene, auf realen Ereignissen basierende Roman trägt den Titel „Rita Atria – eine Frau gegen die Mafia“. Er handelt von dem schweren Schicksal eines jungen Mädchens, welches, angetrieben von dem Verlust ihres Vaters und ihres Bruders, mit dem Anti-Mafia-Staatsanwalt Paolo Borsellino zusammenarbeitet. Die permanente Angst vor Enttarnung und die herben Rückschläge in Sachen staatliche Bekämpfung der Mafia, treiben sie schließlich in den Suizid. Reski erzählt Ritas Leidensgeschichte authentisch, sodass deren Motivation, Ängste und Sorgen klar nachvollziehbar werden.
Nach der circa 30-minütigen Lesung berichtete die Schriftstellerin von einigen Erfahrungen, welche sie in der Vergangenheit mit der Mafia gemacht hatte. Besonders spannend dabei war, zu erfahren, wie die Mafia es gerade in Deutschland schafft, geschickt die im Vergleich zu Italien schwammigere Gesetzgebung auszunutzen, um Geldwäsche zu betreiben. Dabei stünden, so Reski, gerade auch große öffentliche Projekte wie der kommende Bahnhof in Stuttgart oder der endlos verzögerte Berliner Flughafen im Fokus der Mafia.
Eine Episode, die besonders herausstach, ereignete sich in Erfurt, einer Hochburg verschiedener Clans. Reski veranstaltete dort eine Vorlesung, bei der ihr vor den anwesenden Gästen, unter denen auch der ehemalige Bürgermeister der Stadt Erfurt war, nicht nur skurrile Fragen gestellt wurden, sondern auch subtile Drohungen vermittelt wurden. Aber nicht nur bei solchen Veranstaltungen kann man als investigativer Journalist in eine unmittelbare Auseinandersetzung mit der Mafia geraten. Oftmals geschieht dies in Form von gerichtlichen Verfahren, etwa wenn „erfolgreiche Unternehmer“, so Reski, durch einschlägige Publikationen oder Reportagen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen. Petra Reski führte schon zahlreiche von diesen Verfahren – und verlor alle. In Deutschland, so scheint es, ist es geradezu unmöglich, ohne rechtliche Probleme, über die Mafia zu berichten. Dies ist auch der Grund, warum es sich anbietet, zu diesem Thema Romane zu schreiben, denn hier ist eine Zensur wesentlich schwieriger zu rechtfertigen.
Die Mafia ist ein reales Problem. Und nicht nur Italien ist davon betroffen. Die Devise „Aus dem Auge, aus dem Sinn“ kann hier nicht die Lösung sein, gerade wenn man feststellt, dass es sich bei der Mafia nicht um eine romantische, gar ehrenwerte Organisation à la Robin Hood handelt – wie es in der Pop-Kultur durch Filme wie „Der Pate“ teilweise vermittelt wird.
Timon Naumann, Q11