Studienfahrt Berlin 2023

07.11.2023

Eine Studienfahrt beginnt – logischerweise – mit einer Fahrt. Was sich bei einer Fahrt mit der Deutschen Bundesbahn als Abenteuer hätte herausstellen können, war überraschenderweise ziemlich unaufgeregt.

Pünktlich in Berlin angekommen lag der Schwerpunkt an Tag 1 auf West-Berlin. Mit dem Fall der Berliner Mauer verschwand nicht nur die DDR, auch West-Berlin verlor seinen politischen Sonderstatus als eingeschlossene Stadt und damit auch ein ganz eigenes Lebensgefühl. Bevor es richtig losging, begann die Tour standesgemäß mit einer Berliner Currywurst (inklusive Berliner Schnauze) am Bahnhof Zoo. Ku’damm, Breitscheidplatz, Gedächtniskirche oder der Tiergarten versprühen mittlerweile nicht mehr den Charme des alten West-Berlins, aber der renovierte Zoo Palast, zahlreiche Flagship Stores und der neu gestaltete Potsdamer Platz verleihen der City-West mittlerweile wieder mehr Glanz.

Tag 2 stand unter dem Thema Ost-Berlin. Ausgehend vom Nikolai-Viertel, Ostberlins „historischem“ Wohnviertel, wurde am Marx-Engels-Forum sowie dem Roten Rathaus das politische System der DDR näher beleuchtet, bevor am Alexanderplatz und der Karl-Marx-Allee die sozialistische Moderne in Ideologie und Architektur nachvollzogen werden konnte. Der nach sowjetischem Vorbild errichteten Straßenzug erinnert noch heute so sehr an das stalinistische Moskau, dass die ehemalige Stalin-Allee anstelle des echten Moskaus immer wieder als Drehort für viele amerikanische Filmproduktionen zum Einsatz kommt. Der Nachmittag wurde auf dem Fahrrad bestritten. Vom Grenzübergang Bornholmer Straße folgte unsere Tour dem Verlauf der ehemaligen Sperranlagen bis hin zur Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße mit Todesstreifen und Grenzwachturm. Entlang der Route wurden uns eindringlich die historischen Hintergründe zur deutschen Teilung erläutert, Einblicke in den Alltag in der DDR gegeben und Fluchtschicksale nähergebracht.

An Tag 3 stand das Leben mit der Mauer im Mittelpunkt. Ausgangspunkt im Osten war der Tränenpalast, ehemalige Ausreisehalle aus der DDR am Bahnhof Friedrichstraße, der an den DDR-Alltag in einem diktatorischen System und tränenreiche Schicksale erinnert. Auf der anderen Seite war der Westen. Auf einem Rundgang durch Kreuzberg über Kotti, Oranienplatz und Mariannenplatz erfuhren wir von der bunten, aber auch harten Zeit mit fliegenden Pflastersteinen, Hausbesetzern und alternativen Lebensentwürfen im ehemaligen Gastarbeiter- und Ausgehviertel des geteilten Berlins. Über die Oberbaumbrücke, der schönsten Brücke Berlins, ging es zurück in den ehemaligen Osten nach Friedrichshain zur East-Side Gallery. Dieses Reststück der Berliner Mauer wurde 1990 von 118 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt mit Kunstwerken bemalt und ist heute sowohl eine Mauer-Gedenkstätte als auch die längste Open-Air-Galerie der Welt.

Studienfahrt Berlin

Tag 4 stand im Zeichen der alten und neuen Bundeshauptstadt Berlin. Auf dem Weg über den Gendarmenmarkt, den Bebelplatz, die Neue Wache und entlang Unter den Linden konnte die wechselhafte Geschichte Berlins in Politik, Kultur und Architektur zwischen Reichsgründung und Wiedervereinigung nachvollzogen werden. Ziel war das Brandenburger Tor, auch heute noch ein Symbol der deutschen Einheit – aber auch ein Ort für Kundgebungen, wie wir live miterleben konnten, und ein Ort mit Signalwirkung. Am Vortag wurden die Säulen auf der Ostseite des Tores von Mitgliedern der Letzten Generation großflächig mit oranger und gelber Farbe besprüht… Angemessen ruhiger und bedächtiger war es am Denkmal für die ermordeten Juden Europas, einer eindrucksvollen Gedenkstätte zur Erinnerung an die rund sechs Millionen Juden, die unter den Nationalsozialisten ermordet wurden. Am Abend folgten wir der Einladung des Ingolstädter Bundestagsabgeordneten Dr. Reinhard Brandl, der uns zu einem Informationsgespräch im Reichstagsgebäude empfing und unsere Fragen hinsichtlich der aktuellen politischen Lage im In- und Ausland eingehend beantwortete. Nach dem obligatorischen Besuch des Plenarsaales und einem sehr kurzweiligen Vortrag zur Geschichte des Reichstages ging es in die Reichstagskuppel, die mit spektakulären Ausblicken ins nächtlich erleuchtete Berlin belohnte.

An Tag 5 besuchten wir zuerst die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. In der ehemaligen und größtenteils original erhaltenen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit, kurz Stasi, wurden wir über die Formen und Folgen der politischen Verfolgung in der DDR informiert und erfuhren die Geschichte von rund 40.000 Inhaftierten, die der kommunistischen Diktatur im Weg gestanden hatten. Den Nachmittag verbrachten wir am Prenzlauer Berg, dem wohl schönsten Kiez in Berlin… für alle, die es sich leisten können dort zu leben. Dieses Stadtviertel steht wie kein anderes für die Gentrifizierung in Großstädten, wo Lebenskünstler, Aktivisten und die „Szene“ durch – meist schwäbische (so die Berliner) – Investoren und bestverdienende Hipster verdrängt wurden. Den typischen Berliner „Späti“ findet man weniger. Die Kastanienbäume entlang der Kastanienallee stehen jedoch noch.

Der Schwerpunkt an Tag 6 lag auf dem UNESCO-Welterbe Museumsinsel, ein aus fünf Museen bestehendes Bauensemble auf der Spreeinsel und einer der wichtigsten Museumskomplexe in Europa. Die ägyptische Sammlung sowie Nofretete waren wohl für viele der Grund das Neue Museum zu erkunden, andere verlebten einen „Tag“ im Pergamon-Das Panorama, einem 360°-Panorama, das das Leben in der antiken Metropole darstellt. Den Abschluss der Studienfahrt bildete ein Rundgang durch das Humboldt-Forum, ein Ort für Kultur und Wissenschaft, benannt nach Alexander und Wilhelm von Humboldt, zwei großen Gelehrten, Schriftstellern, Bildungsreformern, Forschungsreisenden und Universalgenies. Wollen ja alle mal werden.

Die Rückreise mit der Deutschen Bahn am späten Nachmittag verlief dann schon erwartungsgemäßer: überfüllte Zugabteile, Chaos bei der Sitzplatzverteilung (andere Schulklassen waren ja auch noch da), Zwischenhalt irgendwo im Nirgendwo, kurzfristige Gleisänderungen beim Umsteigen und Verspätung.

Ach ja. Die Unterkunft im Schultz Hotel ist sehr zu empfehlen. Es gibt eine großzügige Lounge-Area und einen lustigen Speisesaal aufgeteilt in einen Amerikanischen, Britischen, Französischen und Sowjetischen Sektor (die ISS ist nicht für Schulklassen). Es gibt Duschen auf den Zimmern, eine anständige WLAN-Verbindung, USB-Buchsen und sogar Netflix. Es liegt direkt gegenüber vom Ostbahnhof, in dem eine bewährte amerikanische Fast-Food-Kette zu finden ist. Also für all diejenigen, die Berlin nicht weiter auf eigene Faust erkunden wollen und lieber im Hotel chillen eine echte Alternative.

Markus Held, OStR

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