Afghanistan - Fluchtursachen und deren Bekämpfung
Auf Einladung des Elternbeirats berichtete Dr. Erös kurz vor Weihnachten über die Arbeit seiner Stiftung im Krisenland Afghanistan, als dessen Kenner er gilt. Er gab einen Überblick über die Ursachen der Fluchtbewegung aus Afghanistan und welche realistischen Möglichkeiten der Bekämpfung dieser Ursachen existieren. Am Beispiel seiner 2002 gegründeten Stiftung verdeutlichte er den möglichen Erfolg solcher Bemühungen.
Einleitung
Ein großer Teil der Flüchtlinge in Deutschland stammt aus Afghanistan mit seinen zahlreichen verschiedenen Ethnien und Glaubensgruppen. Auch unter unbegleiteten Minderjährigen (UMs) ist der Anteil der Flüchtlinge aus Afghanistan mit 70 % groß. Diese UMs unterstehen der Jugendfürsorge und damit unter dem besonderen Schutz des Staats.
Dr. Erös verweist darauf, dass Afghanistan u.a. mit diesem „Exodus der Jugend“ sein „Humankapital“ verliert, was natürlich nicht im Interesse des Landes sein kann.
Fluchtursachen in Afghanistan
Afghanistan gilt heutzutage als „failed state“ („kaputter Staat“), in dem es keine Sicherheit gibt, die Korruption hoch ist, ein desolates Schulsystem existiert und keine vernünftige Form der Berufsausbildung vorhanden ist. Dies führt u.a. zu hoher Arbeitslosigkeit und vollständig fehlender Perspektive für Familiengründungen, was in der traditionell familienfreundlichen Bevölkerung ein besonders großes Problem für jungen Menschen ist.
Warum Deutschland als Ziel?
In Deutschland bestehen Netzwerke, die sich in den 80er Jahren gebildet haben, als ein Großteil der Intelligenz Afghanistan verließ und sich in Deutschland niederließ.
Darüber hinaus nutzt die Bevölkerung global verfügbare Informationsmedien wie Radio, Smartphone, Sat-TV etc. Die erhaltenen Informationen werden in der Regel nicht hinterfragt, sondern als „Wahrheit“ akzeptiert. Zu diesen Wahrheiten gehört, dass der deutsche Sozialstaat, inklusive Rechtsstaatlichkeit und Willkommenskultur, funktioniert.
Ursachen für das Chaos
Nachdem die zerfallende UdSSR sich aus Afghanistan zurückzog, verlor der Westen das Interesse am Land. Es entstand ein Vakuum in das die Taliban, die vorher als Mudschahedin Bündnispartner gegen die sowjetischen Besatzer waren, ab 1995 stießen. Sie setzten die Scharia als Gesetzgrundlage ein und bildeten Strukturen und Netzwerke.
Auf internationalen Druck wurden Schutzmächte in Afghanistan aktiv. Die Gegebenheiten vor Ort wurden von den Schutzmächten allerdings lange Zeit ignoriert. Dadurch kam es zu bizarren Konstellationen, unter denen die Schutzmächte über Jahre hinweg hohe Beträge falsch einsetzten.
Derzeitiger Zustand des Landes
Die Korruption in Afghanistan ist enorm hoch. Im Human Development Index belegt Afghanistan den letzten Platz. Die Schülerfrequenz sinkt (wegen enorm steigender Kinderzahlen!). Es herrscht Unterernährung und mangelnde bezahlbare klinische Versorgung. 87 % der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Hälfte der Bevölkerung ist unter 18 Jahren und die Lebenserwartung liegt zwischen 40 und 48 Jahren. Die Analphabetenquote liegt bei 55-85 %, die Arbeitslosigkeit bei 60 %.
Um die Fluchtursachen wirksam zu bekämpfen, steht an erster Stelle die Aufgabe, ein funktionierendes Schulsystem aufzubauen, worin die „Kinderhilfe“ ihre Hauptaufgabe sieht.
Tätigkeit der Stiftung (Auszug)
Um das Land voran zu bringen, müssen die vorhandenen positiven Potentiale durch Bildung aktiviert werden. Die Stiftung „Kinderhilfe Afghanistan“ arbeitet im Osten des Landes außerhalb der von den Schutzmächten dominierten Gebiete, hauptsächlich im Pashtunengebiet. Daher werden besonders Bücher in Pastunish benötigt, um das Bildungspotential, vor allem auf dem Land, zu verbessern. Daher werden beispielsweise lokale Professoren angehalten, Lehrbücher in den Landessprachen für Studenten zu verfassen.
Die Stiftung hat mittlerweile 31 (Mädchen)Schulen mit mehr als 60.000 Schülern errichtet. Als wichtige Fächer werden dort bspw. Minenerkennung und Solartechnik ebenso vermittelt wie Computerkurse oder allgemeine Berufsschulkurse. Als wichtiges neues Projekt der „Kinderhilfe“ gilt der Bau einer „Deutsch- Afghanischen Friedensuniversität“ für Mädchen in der Provinz Lachman, die 2015 eingeweiht wurde.
Die Arbeit der „Kinderhilfe“ zielt besonders auf die Bildung Mädchen. Afghanische Mädchen, die das Abitur abgelegt haben, heiraten nachweislich später, haben weniger Kinder und erziehen zu Hause auch ihre männlichen Kinder in anderen Bildungskontexten. Ein wichtiger Grundsatz der Stiftung ist, dass ohne Abstimmung mit den Autoritäten vor Ort, auch Taliban, keine Schulen gebaut werden.
Die Arbeit der Stiftung wird ausschließlich durch Vorträge, Spenden und Publikationen ermöglicht, wobei die Stiftung nur Spenden ohne Auflagen entgegennimmt, um effektiv arbeiten zu können.
Die gesamte Schulfamilie bedankt sich bei Dr. Erös für diesen interessanten und informativen Vortrag, der die Sicht auf die Dinge aus der Perspektive eines vor Ort Tätigen engagierten Mitbürgers eindrucksvoll darstellte. Die Schulfamilie des Apian-Gymnasiums wird die Kinderhilfe weiterhin durch unterstützen, beispielsweise durch Spenden, und auch in Zukunft mit der Stiftung engen Kontakt halten und über sie informieren.
Dr. J. Steinwagner, Vorsitzender des Elternbeirats