Die Ander(s)en Gärten oder: Lasst Blumen sprechen!
Ich wage hier einmal zu vermuten, dass jeder an dieser Schule eine Geschichte von Andersen kennt. Märchen wie „Die kleine Meerjungfrau“, „Das hässliche Entlein“ oder „Die Prinzessin auf der Erbse“ gehören zu den absoluten Klassikern. Weniger bekannt sind unter seinen vielen Werken die Geschichten, in denen der große Dichter den Blick auf das Kleine, leicht zu Übersehende lenkt. Da gibt es Märchen, in denen die Schnecken ein erstaunliches Leben führen, in denen ein Mistkäfer sich goldene Hufeisen wünscht und auf eine Reise um die Welt gerät. Geschichten, in denen Gänseblümchen und Holunder die Hauptrollen spielen. Frösche, Schmetterlinge, Kröten entfalten ihre kleine Welt vor dem Leser. Was liegt näher, als auch einmal unseren Schulgarten in eine Spielwiese der Gartengestalten zu verwandeln und auch einmal den Blick auf einige Winkel oder kleine Tiere zu richten, die unser Schulgarten nur beim näheren Hinsehen bietet. Die Theatergruppe setzte durch Texte und Bilder Akzente, unterstützt durch Moderatoren des Schulgartenteams, das Technikteam sorgte für Mikrophonie und eine poetische Beleuchtung der Bäume.
Das Publikum wurde auf der Suche nach der Nachtigall des Kaisers an verschiedene Highlights des Gartens geführt. So durfte im kaiserlichen Garten aus „Die chinesische Nachtigall“ die eingebildete, prächtige Rose ihre Pracht entfalten, flankiert von einer eleganten Lilie und der blauen Iris, allerdings standen neben ihnen doch auch Gänseblümchen, und dann kam noch eine Armee der „Kleinen Grünen“, die ein Leben in Poesie auf Rosen verbringen – und sie dabei aussaugen und auffressen. Wir wollen ihren Namen nicht nennen, sie wünschen „Süße Milchkuh der Ameise“ genannt zu werden.
Bei den Recherchen zu dem wunderbaren Vogel stoßen der Kaiser und seine Diener auf andere Geschichten des großen Dichters, etwa auf das Märchen vom Schweinehirten, das in Auszügen vorgestellt wurde. Da bekommt eine Prinzessin als Liebesgabe vom Nachbarprinzen einen wunderbaren Rosenstock und eine Nachtigall, doch sie will lieber etwas Künstliches. Der Prinz beweist nun technischen Sachverstand, indem er als Schweinehirt verkleidet einen Wundertopf und eine Wunderschwinge bastelt, für die die Prinzessin bereit ist, selbst einen Schweinehirten zu küssen. Das Ende deutet sich schon im Lied des Kochtopfs an: „Ach du lieber Augustin, alles ist hin“!
Weiter ging die Suche nach der Nachtigall, aber die Diener des Kaisers und das Publikum stießen erst auf die Molche im Teich, und einige Zuschauer mussten als Kuh fungieren, da der Schulgarten bisher noch keine Milchwirtschaft anstrebt.
In der Pause konnten die Gartenliebhaber sich an leckeren Brotaufstrichen und kleinen Köstlichkeiten erfreuen und durch den Bienengarten, also den ander(s)en Garten schlendern, in dem eine kleine Ausstellung von Gemälde und Zeichnungen mit den in den Zweigen der Sträucher aufgehängten Andersen-Zitaten aufs Trefflichste harmonierten, umsummt von den fleißigen Bienen unserer Bienenkästen.
Die von verschiedenen Musikern umrahmte Reise zur Nachtigall endete mit einem wunderschönen, aber verstörenden Märchen. „Der Rosenelf“ muss in die Abgründe des menschlichen Verhaltens sehen und will den Mord an einem Liebenden rächen – und mithilfe eines Lindenblatts, eines Jasminzweigs und eines Bienenschwarms gelingt ihm das auch: „Und die Bienenkönigin summte in der Luft und sang von der Rache der Blumen und von dem Rosenelf und dass hinter dem geringsten Blatte einer wohnt, der das Böse erzählen und rächen kann!“
Alexandra Würflein
Fotos: Philipp Hiltl, Gabi Rost