... auch für Gymnasiasten!
Handwerk – was ist das eigentlich? Bayerische Gymnasiasten können diese Frage meist nicht eingehend beantworten, da Informationen zum Handwerk im gymnasialen Unterricht eher spärlich sind. Schülerinnen und Schüler mit guten Fremdsprachenkenntnissen wissen zumindest, dass es im Englischen mehrere Ausdrücke für „Handwerk“ gibt.; Craft, trade, handcraft, industrial art, mechanical art. Das Wort art bedeutet übrigens Kunst, hier: Handwerkskunst, also Können, das Neues schafft.
Was das Bayerische Handwerk bietet und wie es um das Handwerk in Bayern steht, referierten am 9. Oktober 2018 Frau Anita Mayr, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Ingolstadt/Pfaffenhofen und Dipl. Betriebswirt Serkan Engin, Fachberater Berufsausbildung der Handwerkskammer Obb., vor den Lehrkräften des Faches Wirtschaft und Recht am Apian-Gymnasium Ingolstadt. Die Fachbetreuerin OStRin Susanne Danielli hatte die Referenten zu einer Fachsitzung eingeladen, um die Möglichkeiten und Angebote der Handwerklichen Betriebe für Praktikanten und Schulabsolventen aus erster Hand zu erfahren.
Herr Engin zeigte eine ambivalente Entwicklung der Ausbildung in Bayerischen Handwerksbetrieben im letzten Jahrzehnt auf: Während es bei Realschülern und Gymnasiasten einen leichten Trend gebe, sich für handwerkliche Berufe zu interessieren, gingen seit Einführung der Mittelschule die Zahl der AZUBIS von der Mittelschule zurück. Dies habe verschiedene Gründe, u. a. zu wenig Motivation bei Schulabgängern. Immerhin kämen heute rund 60 % der Lehrlinge aus der Mittelschule, 2016 hatten 84 % einen Realschulabschluss, 10 % der Lehrlinge hatten die Hochschulreife. Allein in Bayern seien derzeit noch weit über 10 000 Lehrstellen aus allen Wirtschaftsbereichen unbesetzt, ein Mangel, der mitunter sogar zur Schließung von Betrieben führe.
Erfreulich sei, so Engin, dass aus Oberbayerischen Betrieben rund 1500 Handwerks-Meisterinnen und Meistern hervorgingen. Diesen winke eine erfolgreiche Zukunft.
Wenige Leute wissen allerdings, wie viele attraktive Karrierechancen ein Facharbeiterbrief, Gesellen – oder Meisterbrief bietet. Letzterer eröffnet beispielsweise den Zugang zu berufsbegleitenden Studiengängen oder zu einem Hochschulstudium. Das bedeutet, dass der spätere Ingenieur, der Innenarchitekt oder Bauingenieur seine Arbeit eben von Grund auf gelernt hat und nebst Theorie auch sein praktisches „Handwerkszeug“ voll beherrscht. Oder jemand macht sich selbstständig: der angehende Betriebsleiter beurteilt die Anforderungen seines Betriebes am besten, wenn er die Arbeitsgänge selbst ausgeführt hat.
Nach dem Referat stellte sich Herr Engin den Fragen, die unter anderem die Digitalisierung betrafen. Er erklärte, wie der Einsatz von digitalen Daten die Entwicklung des Handwerks beschleunigen und neue Einsatzmöglichkeiten ermöglichen. Die Ausführungen der Vertreter des Handwerks zeigten insgesamt, dass das Handwerk eine Zukunft in Bayern hat und dass Bayerns Bevölkerung das Handwerk im gewerblich-technischen Bereich bzw. kaufmännische und Gesundheitsberufe braucht. Im Rahmen der vertieften beruflichen Orientierung, wie sie das Kultusministerium für die Gymnasien vorsieht, soll nun auch am Apian-Gymnasium der Kontakt zur Handwerkskammer intensiver gestaltet werden, um Jugendlichen klarere Vorstellungen zu solchen Berufsfeldern und Berufen zu geben.
Als Rüstzeug gab Herr Engin den Lehrkräften das Arbeitsbuch „#EINFACHMACHEN“ mit auf den Weg. Dieses beschreibt rund 130 Ausbildungsberufe, vom Ausbaufacharbeiter bis zum Zahntechniker, vom Edelsteinschleifer bis zum Verfahrensmechaniker für Kunststofftechnik u.v.m.
Nicht zuletzt geht es auch darum, die Wertschätzung der Jugendlichen gegenüber traditionellen Berufen zu fördern. Respekt vor der aufbauenden Leistung des Handwerks steht den Gymnasiasten durchaus an, denn klar ist: Akademisches Wissen und pragmatisches Können bilden gemeinsam im Zeitalter 4.0 einen „goldenen“ Boden für die Zukunft.
Manuela Kürzinger StDin